Wie haben sich die Gründer*innen der Sozialpädagogik vor mehr als 100 Jahren am Kolonialismus in Deutschland beteiligt? Welche Rolle hatte dabei das Pestalozzi- Fröbel-Haus? Welche Auswirkungen hat diese Beteiligung auf die Gegenwart der Sozialpädagogik?

Unter der Projektleitung der Alice Salomon Hochschule Berlin forschen Wissenschaftlerinnen der Universität Hildesheim, der Philipps-Universität Marburg und der Hochschule RheinMain (HSRM) gemeinsam mit Vertreterinnen des Pestalozzi- Fröbel-Hauses Berlin zum (post-)kolonialen Erbe der Sozialen Arbeit in Deutschland. Das Forschungsvorhaben mit dem Titel „Soziale Arbeit als koloniales Wissensarchiv?
Ein Geschichtslabor zum (post-) kolonialen Erbe Sozialer Arbeit als Modell historiographischer Lehrforschung“ wird vier Jahre lang vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Die Entstehung der modernen Sozialen Arbeit als Beruf fällt zeitlich mit der formalen Kolonialherrschaft Deutschlands zusammen. 1893, also zu der Zeit, als das Deutsche Reich sich gerade zur drittgrößten Kolonialmacht entwickelte, wurden aus dem radikalen Flügel der Berliner Frauenbewegung heraus die Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit gegründet.
Viele Personen aus der Anfangszeit der Sozialen Arbeit waren zugleich in der kolonialen Bewegung aktiv. Diese historischen Verflechtungen prägten die frühe Phase der Professionsentwicklung der Sozialen Arbeit in erheblichem Maße mit, sind aber bisher noch nicht systematisch erforscht.

Erbe der Sozialen Arbeit in der Gegenwart

Die am Forschungsprojekt Beteiligten werfen nun im Hinblick auf die Gegenwart Sozialer Arbeit die Frage auf, wie die frühen, auch kolonial geprägten Orientierungen innerhalb der Profession tradiert wurden, inwiefern sie Brechungen erfahren haben und welche Alternativen ihnen vielleicht auch entgegengesetzt worden sind.

Innerhalb der Frauenbewegung und der Sozialen Arbeit trafen Rassismus und Kolonialismus nicht gerade auf Widerstand. Soziale Arbeit konstituierte sich als weißer Raum, in dem eurozentrische Vorstellungen von sozialer Ordnung, Bildung, Arbeit und Familienleben handlungsleitend wurden. In Beschreibungen der Lebenswelten von Klient*innen finden sich zum Beispiel koloniale Narrative, indem sie als ‚fremd‘ und ‚unzivilisiert‘ dargestellt wurden.

Die Bestände des PFH-Archivs lassen tiefe Einblicke in die bewegte Geschichte der sozialpädagogischen Ausbildung und Praxis zu. In welchen Formen sich darin die Kolonialgeschichte des Deutschen Reiches abbildet, ist bisher noch vollkommen unerforscht. Im Rahmen des Projekts hatten Studierende und Schüler*innen des PFHs  die einzigartige Gelegenheit, mit den wertvollen Archivdokumenten die Geschichte ihrer eigenen Ausbildungsstätte aufzuarbeiten. 

Lehrforschungsprojekte ab dem Wintersemester 2023/2024

Im Projekt geht es insbesondere darum, die Rolle der Sozialarbeitsinitiativen im deutschen Kolonialismus aufzuarbeiten und Formen der (Re-)Produktion kolonialen und rassistischen Wissens in historischen Quellen der frühen Sozialen Arbeit zu analysieren. Das Herzstück bildet eine Reihe von mehrsemestrigen Lehrforschungsprojekten, die ab dem Wintersemester 2023/2024 in Studiengängen der beteiligten Hoch- und Fachschulen durchgeführt werden und deren Ergebnisse in Publikation in Publikationen einer breiteren (Fach-)Öffentlichkeit bekannt gemacht werden sollen.

Downloads Reader für die Gruppenarbeit / Archivmaterialien (pdfs)

Gruppe 1: Lebensfürsorge und Kulturentwicklung bei Henriette Schrader Breymann und ihren Kolleg*innen
Eberty 1893 Zusammenhang der Lebensfürsorge mit der Culturentwickelung_barrierearm
Krohne 1898 Rede zur Eröffnung der Krippe im PFH_barrierearm
Schrader 1890 Fröbels Aufruf_barrierearm

Gruppe 2: Hedwig Heyl und die Haus-, Volks- und Kolonialwirtschaft
Heyl 1898 Rede_barrierearm
Heyl 1912 Hauswirtschaftliche Bildung und Volkskultur_barrierearm
Heyl 1912_Die Pfadfinderin in den Kolonien_barrierearm

Gruppe 3: Soziale Arbeit Inter_National bei Alice Salomon
Salomon 1909 Soziale Arbeit in Amerika_barrierearm
Salomon 1909 Soziale Hilfsarbeit_barrierearm

Links zu den Projektergebnissen

Hedwig Heyl lädt ein

Reicht ein gutes Herz?

Projektbeteiligte
Dr. Dayana Lau (Projektleitung und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Alice Salomon Archiv der ASH Berlin)
Sabine Sander (Leiterin des Archivs)
Silke Bauer (Referentin für Kulturelle Bildung)
Beteiligte Lehrkräfte der sozialpädagogischen Ausbildung:
Anne Cramer
Christoph Kimmerle
Thorsten Markstahler
Nikolai Preuschoff
Tatjana Weber
Ello Wildt

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