Ziel der Veranstaltung, durchgeführt von Alicia Königer (Referentin für häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt bei BORA e.V.), war es, die teilnehmenden Fachkräfte zu sensibilisieren und sie mit fundiertem Fachwissen sowie praxisnahen Handlungsstrategien für die Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern auszustatten.
Häusliche Gewalt – eine gesellschaftliche Realität
Häusliche Gewalt ist nach wie vor eine erschreckend weit verbreitete und zugleich tabuisierte Realität in Deutschland. Mindestens jede vierte Frau erlebt im Verlauf ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt in einer Partnerschaft. 360 Femizide allein im Jahr 2023 machen den dringenden Handlungsbedarf deutlich. Dabei bleiben die betroffenen Kinder oft unsichtbar – obwohl sie die Folgen der Gewalt direkt und indirekt mittragen und ein besonderes Augenmerk auf Kinderschutz unerlässlich ist.
Gemeinsam stark für die Umsetzung der Istanbul-Konvention
Die Fortbildung bot einen umfangreichen Überblick über die wichtigsten theoretischen Grundlagen zum Thema häusliche Gewalt. Anhand aktueller Zahlen, Fakten und Daten wurde die Bedeutung der Istanbul-Konvention beleuchtet.
Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlich bindendes Instrument zur umfassenden Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
In Deutschland ist die Konvention seit dem Inkrafttreten am 1. Februar 2018 geltendes Recht. Dazu gehören Opferschutz, Prävention und Strafverfolgung sowie die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter.
Kinderschutz bei häuslicher Gewalt
Ein zentrales Thema der Fortbildung war die Mitbetroffenheit von Kindern und die Auswirkungen der erlebten Gewalt auf ihre Entwicklung (Quelle: Wahren 2023):
- Kinder als Zeug*innen der Gewalt (führt z.B. zu Ängsten, Schuldgefühlen, Parentifizierung, geringem Selbstwertgefühl, Konzentrationsschwierigkeiten, Gefühlslosigkeit und Rückzug in eine Fantasiewelt)
- Miterleben begünstigt die Entwicklung von psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen (z.B. Depression, Schlaganfall, Herzerkrankungen oder Suizidalität)
- Transgenerationale Gewalt: Übertragung der Gewalthandlungen innerhalb eines Familiensystems über mehrere Generationen hinweg
- Gewalt gegen ein Elternteil ist ein Risikofaktor für Gewalthandeln gegen das Kind
Draus lässt sich schließen, dass häusliche Gewalt auch immer ein Indiz für Kindeswohlgefährdung darstellt. Die Teilnehmer*innen erhielten daher im Rahmen der Fortbildung auch praxisorientierten Input für eine methodische Gesprächsführung mit Kindern (Quelle: Mit Kindern über häusliche Gewalt sprechen, Frauenhauskoordinierung):
- Enttabuisierung: „Ich finde es ganz toll, dass du mir das erzählst."
- Verantwortungsübernahme durch Erwachsene: „Ich bin für dich da und helfe dir.“
- Validierung: „Ich glaube dir.“ und „Ich kann verstehen, dass du Angst hast.“
- Positionierung gegen Gewalt: „Das ist nicht erlaubt.“
- Transparenz: „Ich werde folgendes tun …“ und „Wir sprechen am … das nächste Mal wieder.“
- Vertraulichkeit: „Ich werde nur mit folgenden Personen … darüber sprechen. Mit keiner anderen Person.“ und „Du darfst mit anderen darüber reden, wenn du möchtest.“
- Nonverbale Kommunikation: z.B. Bücher über häusliche Gewalt, Kind während des Gesprächs malen oder etwas anderes machen lassen (z.B. Igelball kneten)
Unterstützungsangebote bei häuslicher Gewalt
Abgerundet wurde der Fortbildungstag mit Impulsen für Interventions- und Handlungsstrategien sowie einem Überblick über das Berliner Unterstützungssystem für Gewaltbetroffene (Quelle: BORA e.V.):
- BIG Hotline: 030 6110300 (24/7, verschiedene Sprachen) Beratung und Vermittlung freie Frauenhausplätze/Zufluchtswohnungen
- Frauenberatung Bora (Pankow): 030 6212005, Albertinenstraße 1 in 13086 Berlin
- Frauenberatung Tara (Schöneberg): 030 78718340, Ebersstraße 58 in 10827 Berlin
- LARA Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen*: 030 216 88 88 Fuggerstraße 19, 10777 Berlin
- Berliner Zentrum für Gewaltprävention (BZfG) e.V.: 030 9561 3838 (Männerberatung und Täterarbeit) Leibnitzstraße 33, 10625
- Gewaltschutzambulanz der Charité: 030 450570270, Birkenstraße 62, Haus N, 10559 Berlin
- Bundesweites Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 0116 (täglich 24 Stunden/verschiedene Sprachen)
- Hilfetelefon Gewalt an Männern: 0800 1239900 (Telefon: Mo - Do: 8 - 20 Uhr/Fr: 8-15 Uhr/Chatberatung/verschiedene Sprachen)