26 Jahre lang war Dr. Herbert W. Lohbrunner Direktor des PFH: von 1972-1998. Jetzt ist er gestorben. Wolfgang Dohrmann erinnert sich an ihn, und Sigrid Ebert blickt zurück auf die bildungspolitischen Entwicklungen im Berlin der 80er Jahre.

Das PFH im Berlin der 80er Jahre

Wir haben die ehemalige Schulleiterin des PFH, Sigrid Ebert, gefragt: Wie war es zur Zeit des Wirkens von Hr. Lohbrunner eigentlich so im PFH? Wie war die Atmosphäre in einer Umgebung, die geprägt war von politischen Turbulenzen und der Inselsituation West-Berlins? Sigrid Ebert hat ihre Erfahrungen in einem Essay aufgeschrieben.

Zum Essay von Sigrid Ebert: Das PFH im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts – eine lernende Organisation

Dr. Herbert W. Lohbrunner 1934 – 2021

Ein persönlicher Nachruf von Wolfgang Dohrmann

Herr Lohbrunner war von 1972 bis 1998 Direktor der Stiftung Pestalozzi-Fröbel-Haus und zugleich Leiter der Schulen des PFH. Er hatte vorher an verschiedenen Schulen in Baden-Württemberg und in Bremen als Studienrat und Oberstudienrat mit den Fächern Deutsch und Sozialkunde unterrichtet. Ich lernte ihn 1979 kennen, anlässlich meines Bewerbungsgesprächs für eine Stelle als Lehrer für Englisch, Soziologie und Ökologie an der Fachschule.

Berlin: Eine Stadt im Umbruch
Als Herr Lohbrunner in das damalige West-Berlin und an das PFH kam, befanden sich sowohl die Stadt als auch die Stiftung in einer Umbruchphase. West-Berlin war noch geprägt von den Nachwirkungen der 68er- und der Studentenbewegung: Kinderläden florierten, die Frauenbewegung nahm Fahrt auf, Wohngemeinschaften wurden gegründet, die neuen sozialen Bewegungen stellten viele alte Strukturen in Frage und im PFH arbeitete man noch an einer tiefgreifenden Neustrukturierung sowohl der Ausbildung als auch der Praxiseinrichtungen.

Ein reflektierter und geduldiger Zuhörer
Hr. Lohbrunner sah sich einem hoch engagierten Kollegium gegenüber, das ihm den Anfang nicht leicht machte und ihn als Bewerber "von außen" betrachtete.  Weil er ein guter und geduldiger Zuhörer war, vermied er es, dass sich so manche emotional aufgeladene Stimmung noch weiter aufheizte. Bei der Umsetzung der neuen Ausbildungsordnung machte er sich die Kompetenzen der Kolleginnen zunutze, indem er Vorschläge zur Unterrichtsorganisation, zu schulischen Abläufen etc. entgegennahm, sie reflektierte, ihre Vereinbarkeit mit dem Schulrecht prüfte und darauf inhaltlich einging.

Demokratisch und unparteilich
Es ist typisch für seine Nähe zum Kollegium, dass seine Tür zwar nicht gerade offenstand, aber man jederzeit nach einem Anklopfen eintreten konnte: "Herr Lohbrunner, ich hab' da mal 'ne Frage…" Sein Verhalten in Konferenzen und Gremien war demokratisch, ohne dass er davon ein großes Aufhebens machte. Häufig nahm er sich, auch bei erbitterten Diskussionen, zurück; ich glaube, dass er unterschiedliche Meinungen ernst nahm und respektierte. In meinen Gesprächen mit ehemaligen Kolleginnen über ihn waren die Worte "Fairness" und "Unparteilichkeit" die am häufigsten geäußerten Kommentare zu ihm. Wenn er zu Dienstbesprechungen in die PFH-Kitas kam, so habe ich öfters gehört, war er dort ein gern gesehener und respektierter Gast, denn – meine Wortwahl verrät das schon – er kam nicht als Dienstherr, sondern als jemand, der zuhören konnte, der die Kolleginnen dort respektierte.

Planung und Begründung waren wichtig
Er wurde oft mit Initiativen aus dem Kollegium zu aktuellen gesellschaftlichen Ereignissen oder zu wichtigen sozialpädagogischen Entwicklungen konfrontiert, zu denen insbesondere Projekttage mit dem gesamten Kollegium oder Schulveranstaltungen mit allen Studierenden durchgeführt werden sollten, wie z.B. zum NATO-Doppelbeschluss, zu den Jugoslawienkriegen, zur Umwelterziehung, zum islamischen Kopftuch, nach dem Fall der Berliner Mauer oder zu Reformen der Ausbildungsordnung. Hierbei erwies er sich als verständiger Moderator, der auf einer gründlichen Planung und Begründung bestand. Es gab in dieser Zeit aber nicht nur Veranstaltungen mit einer intensiven Diskussionskultur, sondern auch regelmäßige Kollegiumsfeste zu Jahrestagen und Abschieden, Begrüßungen und Verabschiedungen von Studierenden-Jahrgängen im festlichen Rahmen sowie Betriebsausflüge des Kollegiums, an denen er gerne mit dem Fahrrad teilnahm.

In der Beurteilung fair
Kritische Situationen im Leben eines Lehrers sind die periodisch wiederkehrenden dienstlichen Beurteilungen, denen ein Unterrichtsbesuch mit einer Lehrprobe vorausging. Dies sind sehr offizielle Situationen, bei denen eine Fachleiterin und ein Personalratsmitglied anwesend sein können und zu denen ein vorher fertiggestellter Unterrichtsentwurf gehört. Zumindest nach meiner Erfahrung waren seine schriftlichen Beurteilungen ausgesprochen zutreffend und fair, kritische Punkte wurden von ihm eher in der mündlichen Nachbesprechung geäußert als in der schriftlichen Beurteilung festgehalten.

Internationalität war gern gesehen
Auf Initiative von Kolleginnen begann die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern im Rahmen des Leonardo da Vinci Programms sowie die Einführung der "Türkischklassen" und die Förderung der Studierenden mit Migrationshintergrund in der Berufsfachschule. Dies wurde von ihm unterstützt und er informierte sich nach Studienaufenthalten und Klassenfahrten ins Ausland bei den begleitenden Kolleginnen nach deren Zielsetzungen und Erfolgen.

Nach der Rente folgte die Promotion
Nach seiner Pensionierung 1998 schrieb er eine Doktorarbeit zum Thema "Das pädagogische Professionswissen in der Erzieherausbildung", wofür er Erfahrungsberichte aus der Erzieher*nnenausbildung auswertete. 2005 promovierte er bei Prof. Merkens an der FU. Ich persönlich glaube, dass er mit dieser Arbeit vieles inhaltlich und konzentriert aufarbeitete, wozu ihm das Tagesgeschäft am PFH keine Ruhe ließ.

Dr. Herbert W. Lohbrunner verstarb am 8. Dezember 2021.